Transcontinental Race No. 11
Ende Juli 2025 – Zeit für die 11. Auflage des Transcontinental Race mit Start in Santiago de Compostela und Ziel in Constanta – Rumänien.
Die Vorbereitung
Als ich im Februar meiner Schwester erzählte, dass ich spontan noch einen Startplatz bekommen habe, bot sie mir genauso spontan an, mich mit ihrem Wohnmobil zum Start zu bringen. Diese Einladung habe ich natürlich gerne angenommen, war ich so doch um ein Problem ärmer, der Anreise. Die war nämlich gar nicht so einfach, wie eine kurze Recherche zeigte.
Die nächsten Wochen war ich mit Routenplanung beschäftigt und da gab es viele Dinge zu beachten. Zum einen von der reinen Länge der Route, zum anderen geprägt durch die Liste der verbotenen Straßen – gerade auf dem Balkan. Diese Liste wurde vom Veranstalter vorgegeben und sollte uns daran hindern, Straßen zu nutzen, die aus ihrer Sicht aufgrund von LKW Verkehr zu gefährlich sind.


Dazu kamen Unsicherheiten bzgl. Grenzübertritte vom Kosovo nach Serbien. Auf der Seite des Auswärtigen Amtes stand, dass man nicht vom Kosovo nach Serbien reingelassen würde, wenn man von einem Drittland in das Kosovo eingereist sei. Ich wusste zwar nicht, wie sie das kontrollieren wollen, wenn man mit Personalausweis reist (der ausreichend ist), aber ich wollte es auch nicht darauf ankommen lassen. Also Route ums Kosovo herum geplant.
In der Discord Gruppe vom TCR entspannten sich interessante Diskussionen rund um das Thema Routenplanung, die ab und zu auch moderiert werden mussten, weil zu viel Informationen preisgegeben wurden, was dem Veranstalter natürlich ein Dorn im Auge war, da ja jeder selbst recherchieren sollte.
Irgendwann stand dann meine Planung. „Mein“ Rennen sollte 4.608 km und 52.480 Höhenmeter umfassen. Ganz schön viel – und ich war mir nicht sicher, ob das wirklich eine gute Idee war, sich dort anzumelden. Zur Erinnerung: mein bisher längstes Rennen war das letztjährige Three Peaks und da fühlte ich mich nach 2500 km nicht gerade so, als könne ich noch Bäume ausreißen, geschweige denn, noch weitere über 2000 km fahren.
Die Anreise und die Zeit vor dem Start
In den allerletzten Tagen spürte ich dann doch noch einen Hauch von Vorfreude, auch wenn es wirklich nur ein Hauch war ![]()
Am Freitagvormittag fuhren wir Richtung Spanien, kamen gut voran und waren am Samstag vor Ort. Rad-Check und Tracker-Vergabe war am Sonntag, ebenso wie das Rider Briefing und der Start. Wir hatten also noch ein wenig Zeit, uns die Stadt anzugucken und einen Teil des Start-Parcours abzufahren. Der hatte es echt in sich und sammelte fast vom Start weg munter Höhenmeter ein.

Bei der Anmeldung steht ein asiatischer Teilnehmer vor mir, der mir irgendwie bekannt vorkommt. Ich frage ihn, ob das seine erste Teilnahme sei und er erwidert, dass er schon beim TCRNo9 dabei gewesen sei, aber hätte aufgeben müssen, weil sein Rad kaputt gegangen sei. Ich erinnere mich: er war derjenige, der vor dem Start versucht hatte, seine Pedale abzuschrauben. Ich hatte ihm den Tipp gegeben, es mal mit Drehen in die richtige Richtung zu versuchen, was er ziemlich grummelig quittiert hatte. Vermutlich hätte ich das anders formulieren müssen und er hat sein Gesicht verloren. Damals traf ich ihn nochmal vor dem Start im Restaurant und bot ihm an, sich zu uns zu setzen, was er komplett ignorierte.
Heute war er gesprächiger…
Der Bike Check verlief schnell, professionell und unauffällig.
Das Rider Briefing dagegen hätte man sich sparen können. Nix, was man nicht schon gewusst hätte. Einziges Highligt: es gab die Brevet-Karten, auch wenn die ein wenig behelfsmäßig aussahen.
Der Start
Wir stehen mit dem Wohnmobil nicht so weit weg vom Start, so dass ich mir mit dem Aufbruch dorthin Zeit lassen kann.
Vor Ort ergibt sich ein bunt gemischtes Bild. Menschen wie ich, die sich scheinbar vorher noch ein paar Reserven angefuttert haben, andere, die scheinbar nur eine zwei Tage Tour machen wollen, weil mit wirklich minimalem Gepäck unterwegs. Die Stimmung ist aber ausgelassen und von freudiger Anspannung geprägt.

Das riesige Teilnehmerfeld
Um kurz nach acht ging die Reise los. Zunächst den Startparcours, dann Richtung Checkpoint 1 (CP1) in Eigenverantwortung.


Die Strecke führte aus Santiago auf kleinen und kleinsten Straßen raus und orientierte sich dann am Radwanderweg nach Fisterra. Auf den ersten 45 Kilometern ein einziges hoch und runter, bevor die Strecke auf eher größeren Straßen mit mehr Verkehr etwas zahmer wird. Circa 12km vor dem Ende kommen mir die ersten Teilnehmer wieder entgegen. Bin entsetzt, dass sie schon sooo viel Vorsprung haben. Vor allem kommen mir bald ziemliche Massen an Teilnehmern entgegen. Bis dahin dachte ich eigentlich, ich sei ganz gut unterwegs, aber diese große Menge hat mich dann doch überrascht.
Am Ende des Parcours angekommen, fülle ich meine Flaschen noch an einem Brunnen auf und mache mich auf den Weg in die andere Richtung. Zunächst mit ein paar anderen zusammen, fahre ich irgendwann ziemlich allein durch die Nacht.
Es fängt leicht an zu nieseln. Meine Wetter-App hatte eigentlich 0% Regenwahrscheinlichkeit prognostiziert. Dementsprechend verzichte ich darauf, die Regenjacke anzuziehen.
Der Nieselregen wird dichter. ![]()
Bis ich meine Regenjacke angezogen habe, bin ich durchnässt.
Irgendwann spielt dann auch meine Lampe verrückt. Die Supernova hat ja einen Fernlichtschalter. Der schaltet jetzt selbsttätig zwischen Abblend- und Fernlicht hin und her, was entgegenkommende Autofahrer natürlich nicht lustig finden.
Irgendwann fängt sie dann auch an, das Licht komplett auszuschalten, was ich widerum nicht lustig finde.
Nach dem dritten mal Dunkelheit trenne ich den Schalter von der Lampe und kann wenigstens mit Abblendlicht weiter fahren.
In der Dunkelheit werde ich von dem oder der ein oder anderen MitfahrerIn überholt. Gespräche ergeben sich irgendwie nicht.
Nach Anbruch des Tages finde ich einen kleinen Supermarkt, wo ein polnischer Mitfahrer mir den Rest seines Baguettes anbietet. Ich darf zwar laut Reglement nix von anderen annehmen (keine Hilfe, kein Essen, einige meinten scheinbar, ein Lächeln gehört auch nicht dazu), aber sieht ja keiner und bevor er es wegwirft. Also hole ich mir noch Cola, Käse und ein Sixpack Eis dazu und mache Frühstück.
Jetzt gehts an einer größeren Straße mit ziemlich viel (LKW) Verkehr. Nervig, aber in Spanien irgendwie machbar. Zum einen gibt es einen relativ breiten Seitenstreifen, zum anderen sind sowohl die Auto- als auch die LKW-Fahrer in Spanien unglaublich rücksichtsvoll. Manchmal habe ich LKW-Fahrer vorbeigewunken, weil sie hinter mir hergeschlichen sind, der Seitenstreifen aber wirklich mehr als ausreichend breit für ein gefahrloses Überholmanöver war.
Da sollte ich in meinem nächsten Land (wieder mal) ganz andere Erfahrungen machen.
Um sieben Uhr biege ich in einen Supermarkt ein, besorge mir mein Abendessen und schaue mich nach einer Unterkunft um. Die ist auch schnell gefunden und so mache ich nach 24 Stunden Feierabend. Es ist zwar noch hell und ich hätte vermutlich auch weiter fahren können, aber so richtig Kraft in den Beinen hatte ich nicht mehr und ich befürchtete auch, dass sich eine noch ausgedehntere Fahrt in den nächsten Tagen rächen könne.
Nachdem ich meiner Gastgeberin erklärt habe, dass meine Kette gewachst ist und ich ihr mit einem Griff an die Kette gezeigt habe, dass von ihr keine Gefahr ausgeht, durfte ich mein Rad sogar mit ins Zimmer nehmen.
Nach 430 km mit 5.900 Höhenmetern ist Feierabend. ![]()
Tag 2
Habe mir extra nicht den Wecker gestellt, weil ich mir Ruhe verordnet habe. Bin dann aber trotzdem kurz vor fünf wach – vermutlich der innere Drang ![]()
Um kurz vor halb sechs sitze ich auf dem Rad. Das heutige Minimalziel ist Checkpoint 1 – die Strecke dorthin rund 200km – also machbar.
Die Supernova weigert sich, in den Fernlichtmodus zu wechseln. Drücke ich den Schalter, geht das Licht für den Bruchteil einer Sekunde auf Fernlicht, um dann wieder auf Abblendlicht zu wechseln.
Nehme mir fest vor, dem Hersteller abends eine enttäuschte Mail zu schreiben, in der Hoffnung auf größtmögliches Entgegenkommen. ![]()
Irgendwann fängt es an zu regnen. Meiner Wetterapp war das natürlich nicht bekannt.
An einer Tankstelle treffe ich wieder auf den polnischen Mitfahrer, der mal wieder ein riesiges Baguette gekauft hat, dessen zweite Hälfte er mir wieder anbietet. Stehe gerade nicht so auf Baguette, weshalb ich dankend ablehne.
Daneben ein zweiter Starter – aus Deutschland – der wie ich gut mit Biopren gesegnet ist, im Gegensatz zu mir aber mit minimalstem Gepäck unterwegs ist. Auf meine Frage, dass da ja wohl höchsten eine Zahnbürste nebst Zahncreme drin sein können, entgegnete er, er habe noch Shampoo dabei (im Gegensatz zu mir), etwas Werkzeug und einen leichten Schlafsack. Den habe er dabei, weil er gehört habe, dass die Betten in den italienischen Hotels nicht immer ganz sauber seien und er deshalb darin schlafen will.
Also wenn man eine solche Tour macht, dürften irgendwelche Unzulänglichkeiten in Hotels noch zu den kleinsten hygienischen Problemen gehören. ![]()
Meine spätere Recherche zeigte, dass er noch bevor er Italien erreicht hat, das Rennen beendete.
Irgendwann aber ist es soweit und ich komme zum Checkpoint 1.
Die Veranstalter hatten extra einen ganz besonders abgelegenen Ort ausgesucht, zu dem man in Serpentinen mit durchschnittlich 15% klettern musste. Nicht alle sind das im Sattel sitzend gefahren.

Freue mich, dass ich noch deutlich vor dem Schließen des Kontrollpunktes den Stempel habe und bremse mich die Serpentinen wieder runter, bevor es zum Aufstieg zum zweiten Parcours geht.
Jetzt folgt ein Aufstieg mit 1.100 Höhenmetern, verteilt auf 13 km.
Ich war froh, wieder mit Gravel – Übersetzung unterwegs zu sein. ![]()
Auf dem Weg hoch werde ich von ein paar wenigen Teilnehmern überholt, bis ich selbst auf einen älteren Mitfahrer auffahre. Nachdem wir uns ein wenig auf englisch unterhalten haben, kommt dann meist die Frage nach der Herkunft auf und danach haben wir uns auf deutsch weiter unterhalten. ![]()
Er ist auch bei der vorletzten Ausgabe gestartet und hatte genau wie ich Shermers neck – allerdings deutlich später und ist dann nach zwei Tagen Pause direkt ins Ziel gefahren, wodurch er natürlich disqualifiziert wurde.
Nachdem er noch heftigst auf den Veranstalter geschimpft hat, dass der uns allein den Parcours fahren lassen würde, was im Hochgebirge grob fahrlässig sei, habe ich zugesehen, dass ich ohne ihn weiter fahre. Zu viel negative Energie…
Der Parcours war eine bessere MTB-Strecke und verlangte einem fahrerisch so einiges ab.

Dank meiner vielen Fahrten mit der Schotterradbande im Großen und Ganzen aber gut fahrbar.
Auf den folgenden Kilometern überhole ich zahlreiche andere Teilnehmer, die hier deutlich vorsichtiger fahren als ich. Ich vertraue auf die Tubeless Reifen, auch wenn sich das manchmal ganz schön heftig anfühlt.
Am Ende hat mein Reifen vorn dann auch ein paar Bar weniger Druck als vorher.
Irgendwann kommen wir dann wieder in ein Bergdorf, wo die Straßen wieder asphaltiert sind. Vorher ging es aber noch in engen Kehren steil bergab, so dass ich schon Sorge hatte, dass die Bremsbeläge bald runter sind.

Und als dann auch die restlichen Kurven bis ins Tal geschafft sind, sitzt dort ein spanisches Paar und hat eine Verpflegungsstation für die Teilnehmer aufgebaut.

Tinto de Verano ist Rotwein mit Sprite gemischt.
Bin noch unentschlossen, ob ich zugreifen soll, aber nachdem die anderen sich einen Becher genehmigen, bin ich weniger zögerlich.
Im nächsten Ort besorge ich mir noch ein paar Kleinigkeiten zu essen und halte dann Ausschau nach einem Nachtquartier.
Das gestaltet sich jedoch ein wenig schwierig. Auf booking.com sind nur Unterkünfte >100€ zu finden und das ist meine obere Grenze. Also frage ich bei diversen Hostels an der Strecke nach, die aber alle belegt sind oder mich nicht aufnehmen wollen (der Typ guckt mich ca. zehn Sekunden sprachlos an und sagt dann „we are closed“).
In San Vicente de la Barquera finde ich eine Pizzeria und order eine Pizza und ein alkoholfreies Bier. Habe mich damit abgefunden, dass ich die Nacht durchfahre und will vorher wenigstens noch was handfestes im Bauch haben. Checke nochmal die örtlichen Übernachtungsangebote, aber das einzige Zimmer kostet 120€.
Als ich fertig aufgegessen habe, nochmal ein letzter Blick und zu meiner Überraschung kostet das Zimmer jetzt „nur“ noch 80€. Also gebucht und hingefahren. An der Rezeption noch zwei alkoholfreie Biere geordert und dann ins Bett.
Fahrrad darf ich mit aufs Zimmer nehmen. ![]()
Gefahren bin ich knapp 270 km.
Im Vorfeld hatte ich ausgerechnet, dass ich 250km pro Tag fahren muss, um im Zeitlimit zu bleiben. Passte also. ![]()
Tag 3
Um vier Uhr kann ich nicht mehr schlafen und packe meine Sachen zusammen. Um kurz nach halb fünf sitze ich auf dem Rad.
Die Supernova weigert sich nach wie vor, im Fernlichtmodus zu fahren. Erinnere mich wieder daran, dass ich ja ne Mail an den Support schreiben wollte und nehme mir das ganz fest für den heutigen Abend vor.
Die Streck verspricht heute recht angenehm zu werden. Zunächst müssen noch ein paar Hügel und dann ein „Pass“ erklommen werden, danach geht es aber relativ flach weiter.
Mich beschäftigen Schmerzen in diversen Körperregionen: da wäre zum einen der Rücken. Wenn ich stärker in die Pedale trete (zum Beispiel beim bergauf fahren), bekomme ich Rückenschmerzen. Ursache ist eine schwach ausgeprägte Rumpfmuskulatur ![]()
Dann war da noch die Sache mit dem linken Fußballen. Der tat mir so weh, dass ich zwischendurch aus den Schuhen raus bin und auf den Schuhen stehend gefahren bin. Ursache weiß ich nicht so genau, hängt aber wohl vermutlich damit zusammen, dass ich links 56% und rechts 44% meiner Kraft trete – sagt jedenfalls der Wattmesser und der wirds vermutlich wissen.
Und dann kam noch der Popo dazu. Und die Schmerzen waren wirklich die unangenehmsten, weil permanent vorhanden. Ursache: bei einer meiner Pausen stelle ich fest, dass sich der Sattel ganz nach hinten verschoben hat. Verstelle ihn wieder ganz nach vorn und ziehe die Schrauben dieses mal richtig fest. Danach sitzt es sich fast wie auf einer Sänfte, nur hat der Hintern durch die langen Fahrten der letzten Tag schon ganz schön gelitten.
Hadere trotdem ziemlich mit meiner Radhose, einer Rapha Brevet. Finde die seitlich aufgesetzten Taschen eigentlich sehr praktisch (auch wenn ich meine Brevet-Karte gestern verloren habe), aber was Polsterung angeht, ist sie wirklich sehr minimalistisch. Mit der Assos Hose hatte ich letztes Jahr keinerlei Probleme und ich ärgere mich, dass ich immer so experimentierfreudig bin, ohne die Dinger mal einem Langzeittest zu unterziehen.
Der Tag ist ansonsten unspektakulär und ich fahre bis südlich von Pamplona, wo ich über booking.com ein Hotel buche. Und schon wieder darf ich das Rad mit aufs Zimmer nehmen.
Gefahren bin ich 289 km mit 3.500 Höhenmetern.
Morgen gehts in die Pyrenäen.
Tag 4
Werde in der Nacht ständig wach, so dass ich mir irgendwann den Wecker stelle. Stehe um fünf auf und will mich auf den Weg machen. Der Nachtportiere bietet mir an, mir noch einen Kaffee zu bringen, was ich natürlich gerne annehme. Dazu serviert er mir noch einen Muffin und einen Joghurt. Finde ich ja total nett. Er ist über das Rennen bestens im Bilde, weil ein belgischer Teilnehmer auch im Hotel geschlafen hat, allerdings schon eine Stunde! vor mir aufgebrochen sei. ![]()
Stelle in der Dunkelheit wieder fest, dass das mit der Supernova nicht besser geworden ist. Heute abend schreib ich aber ganz sicher eine Mail…
Die Strecke führt an einem Stausee entlang und der Veranstalter hatte darum gebeten, die dort entlang führende Nationalstraße nicht zu nehmen, weil die parallel verlaufende Autobahn noch nicht fertig ist und der Autobahnverkehr dann auf der N-Route weiter fährt. Auf Komoot hatte jedoch einer geschrieben, dass es zwar Verkehr gibt, das aber schon zu ertragen sei. Außerdem gab es einen Seitenstreifen und über die Rücksichtnahme der spanischen Auto- und LKW-Fahrer hatte ich ja schon geschrieben.
Also nahm ich die Strecke, auch wenn der Straßenzustand teilweise eine Katastrophe war und sich meine Sitzbeschwerden eher verschlimmert als gebessert haben.

Am späten Nachmittag erreiche ich den Pyrenäen Parcours und fahre auf den Col de Aubisque. Unten ist es noch ziemlich warm aber die Temperatur fällt von mal zu mal, bis es mir zu frisch ist und ich die Regenjacke anziehe.
Mittlerweile fahre ich in dichtem Nebel den Berg hoch, so dass ich das Rücklicht anmache, um rechtzeitig von den Autos erkannt zu werden. Oben dann Mistwetter.

Frierend fahre ich weiter und suche mir nach der nächsten Abfahrt ein Hotel.
Ein Neuseeländischer Mitfahrer, den ich in den letzten Tagen immer mal wieder getroffen hatte, wollte heute noch den Tourmalet fahren, aber dazu konnte ich mich nicht mehr aufraffen. Die Aussicht, auch den Tourmalet im dichten Nebel zu fahren, förderten nicht gerade meine Motivation.
Gefahren bin ich heute 243 km mit 3.875 Höhenmetern.
Tag 5
Gestern abend hat mir meine Gastgeberin noch ein Frühstück zubereitet, das ich mit aufs Zimmer genommen habe. Neben Baguette, Brioche, Marmelade einer Thermoskanne Kaffee hat sie noch darauf bestanden, dass ich auch etwas Obst esse. Also noch ein Apfel und eine Kiwi.
Stelle mir den Wecker auf fünf Uhr, werde aber um zwei Uhr wach. Ich kenne die Wahrscheinlichkeit, dass ich dann nochmal einschlafe und so fange ich an zu frühstücken.
Um immerhin erst kurz vor vier sitze ich auf dem Rad und frage mich, warum ich die Sache mit der Mail eigentlich jeden Abend vergesse? ![]()
Es geht durch die dunkle Nacht und der Krach lässt vermuten, dass da irgendwo neben mir ein reißender Bach fließt.
Kann nicht gerade behaupten, Bäume ausreißen zu können und so muss ich beim Aufstieg zum Tourmalet die ein oder andere Pause einlegen. Werde dann auch von einigen anderen überholt, was meine Stimmung nicht gerade steigert. Meine Sitzbeschwerden haben sich zu einem massiven Problem entwickelt, dem ich nichtmal mit der Gabe von IBU600 Herr werde.
Nach vielen Stunden des Kletterns mit diversen Krisen bin ich dann endlich am Gipfel angekommen. Nach dem Transpyrenees meine zweite Überfahrt – diesmal von der anderen Seite.


Jetzt also „nur noch“ die Abfahrt und schon bin ich bei Checkpoint 2.
Das „nur noch“ erwies sich dann aber als ziemlich harte Nuss, denn das, was da von oben wie eine leichte Nebeldecke aussieht, erwies sich beim Durchfahren dann als Regenwolken. Und statt wärmender Sonne erwartete mich ganz schöne Kälte ![]()
Komme also bei acht Grad und Regen am Checkpoint an und werde dort zumindest freudig begrüßt.
Die Location ist irgendeine Pension und der geschäftstüchtige Besitzer bietet allen Fahrern ein ausgiebiges Frühstück an, das ich natürlich gerne annehme. Ich lerne Pierre kennen, der einen Verband am Arm trägt und auch ansonsten etwas ramponiert aussieht. Kleine Unaufmerksamkeit erklärt er mir und dann hats ihn zerlegt. Gerade der Verband am Ellenbogen sei ganz schön hinderlich, weil er sich so nicht schmerzfrei auf den Auflieger legen könne. Aber er scheint das ganze mit ziemlichen Humor zu nehmen.
Nach einer halben Stunde ziehe ich so ziemlich alles an, was ich habe und fahre weiter durch den Regen.
Der hört zum Glück eine weitere halbe Stunde später wieder auf und so fahre ich kurz/kurz weiter.
In einer der nächsten Orte treffe ich Pierre wieder und bin etwas erstaunt, da ich vor ihm losgefahren bin. Er ist offenbar eine kürzere Strecke – allerdings mit mehr Höhenmetern gefahren. Er fährt aber auch eindeutig in einer anderen Gewichtsklasse.
Da mich die Sitzbeschwerden immer noch im Griff haben, frage ich ChatGPT, ob es in Carcassone einen Radladen gibt, der Assos Hosen führt. Das wird bejaht mit dem Hinweis, dass dieser Laden auch einen WebShop hat und alles, was dort vorrätig ist, sei auch im Laden erhältlich. Online ist eine Mille GT erhältlich – genau die, die ich brauche. Allerdings auch zum absoluten Apothekenpreis ![]()
So suche ich mir eine Unterkunft in der Nähe.
Mein Fahrrad darf ich dieses Mal nicht mit aufs Zimmer nehmen – das Zimmer ist auch eindeutig zu klein dafür.
Gefahren bin ich 278 km mit 3.300 Höhenmetern.
Tag 6
Als ich aufwache, fühle ich mich total gerädert. Ich habe eine fette Erkältung mit Husten und Schnupfen von der Art, die einen vermuten lässt, dass in dem, was man da so rausschnäuzt noch eine Spur von Leben ist. ![]()
Da der Laden erst um zehn Uhr öffnet, habe ich ausgiebig Zeit, das Frühstücksbuffet im Hotel zu plündern. Damit kann man sich jedoch auch nicht ewig beschäftigen und so fahre ich Richtung Radladen, in der Hoffnung, dass vielleicht schon jemand da ist und ich vor Ladenöffnung bedient werde.
Diese Hoffnung erfüllt sich leider nicht. Es ist zwar jemand da, aber dieser jemand signalisiert mir eindeutig, dass er nicht gewillt ist, den Laden vor zehn Uhr zu öffnen. ![]()
Also um zehn in den Laden, Hose ausgesucht, gezahlt und gleich angezogen. Erster Eindruck auf dem Sattel: besser.
Auf Strava hatte noch ein Bekannter kommentiert, dass er beim letztjährigen TPBR ähnliche Probleme hatte und sich Blasenpflaster auf die entsprechenden Stellen geklebt hat.
Also fahre ich eine der nächsten Apotheken an und besorge mir Blasenpflaster. Brauche dann noch eine Weile, bis ich einen Platz finde, wo ich die Dinger ohne Beobachtung durch Dritte an Ort und Stelle bringen kann.
Der Komfortgewinn ist erstmal phantastisch und ich komme gut voran. ![]()
Das geht jedoch nicht den ganzen Tag gut, denn die französischen Straßen sind größtenteils eine echte Zumutung. Es gibt einige gute Straßen, die meisten sind jedoch in furchtbarem Zustand mit zahlreichen Schlaglöchern. Seitenstreifen sind in der Regel nicht vorhanden und über die französischen Autofahrer hatte ich mich ja schon mehrfach geäußert.
Einem Schlagloch ausweichen kommt hier leider nicht in Frage, denn da beim Überholen keinerlei Seitenabstand gehalten wird, würde man glatt umgebügelt werden, sollte man einen Schlenker nach links machen. Ich bin mega genervt. ![]()

Gegen Abend kommt die übliche Herausforderung: wo verbringe ich die Nacht?
Finde eine Unterkunft in Orange, die gut bewertet ist und preislich im Budget liegt. Nur hatte ich gedacht, bis dahin seien es noch 40 km – es waren dann aber noch 60 km und damit für mich nicht mehr zur Öffnungszeit der Rezeption erreichbar. Habe dann Kontakt mit dem Hotel aufgenommen. Kein Problem. Am Hintereingang gibt es einen Zugang mittels Keycode – den Schlüssel zum Zimmer würden sie gegenüber vom Aufzug ans Brett hängen.
Und so war es dann auch.
Fahrrad habe ich natürlich mit ins Zimmer genommen.
Gefahren bin ich 265 km mit 1.350 Höhenmetern. Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass die Tour eigentlich erst um 10:30 Uhr losging.
Tag 7
Nichts geht mehr. ![]()
Gestern abend lief die Nase schon ohne Unterlass, heute früh gehts mir noch deutlich schlechter.
Ich denke nach, was ich mache…
Zusammengenommen sprechen folgende Punkte für ein Weiterfahren:
- Nicht schon wieder ein DNF

Und folgende Punkte gegen ein Weiterfahren:
- Ich bin erkältet und riskiere eine Herzmuskelentzündung wenn ich weiter fahre.
- Mir tut der Hintern weh.
- Ich hasse es, auf französischen Straßen Rad zu fahren.
- In Italien wirds nicht besser.
- Ich habe noch 2800 km vor mir.
- So nah werde ich der Heimat so schnell nicht wieder kommen.
- In 100 km Entfernung fährt 18 Stunden später ein Flixbus mit Fahrradmitnahme ohne Umsteigen nach Frankfurt.
Nach dieser „Schnellanalyse“ steht mein Entschluss fest: Frühstücksbuffet. ![]()
Ich plane auf komoot eine Strecke nach Valence, wo der Bus losfährt, verzichte dabei aber auf die kürzeste Route, weil die über die Route National geht und damit verspricht, von zahlreichen Nahtoderfahrungen begleitet zu werden. Traue mir zu, die 120km in 15 Stunden zu absolvieren und mache mich nach dem Frühstück auf den Weg.
Was ich vorher nicht wusste: Sturm von vorn ![]()
Nach etwa einem Viertel der Strecke bekomme ich einen der heftigsten Wutanfälle meines Erwachsenenlebens und bin total fertig. Das Radeln gegen den Wind ist so anstrengend, dass ich zwischendurch befürchte, nicht ans Ziel zu kommen – jedenfalls nicht bis 0:55 Uhr.
Aber alles unbegründet. Nach knapp sieben Stunden Netto-Fahrzeit habe ich die 117 km geschafft. Ganz schön lang für ganz schön wenig km.
Der Bus kommt pünktlich, ich bin mal wieder ungeduscht und mein Sitznachbar rächt sich auf seine Art: er schnarcht die ganze Nacht mit Höllenlärm.
Fazit
Bin ich enttäuscht?
Klar bin ich das. Nicht ganz so sehr wie beim letzten Mal, aber dennoch nicht glücklich. Habe ich zu leichtfertig aufgegeben? Ich weiß es nicht. Meine Erkältung ist danach relativ schnell verflogen. Aber hatte ich die Zeit, um mich auszukurieren? Nein.
Es war Samstag, als ich ausgestiegen bin. Von dort hätte ich noch etwa 280 km bis zum Beginn des vierten Parcours gehabt, der nochmals 68 km bis zum CP3 gehabt hätte.
Closing time beim CP3 war Dienstagfrüh um 9:00 Uhr.
Ein Tag Pause wäre also nicht drin gewesen.
Habe ich die falsche Materialwahl getroffen?
Sicherlich. Ich habe darauf vertraut, dass die Rapha Brevet Hose für eine solche Fahrt geeignet ist. Ich bin sie bei meinen beiden 300er in der Vorbereitung gefahren und sie hat mir keine Probleme bereitet. Aber mehrere Tage hintereinander habe ich sie nicht getestet. Vielleicht wäre es auch nicht zu Problemen gekommen, wenn ich früher gemerkt hätte, dass der Sattel verstellt ist. Beim TPBR im letzten Jahr hatte ich zwei verschiedene Radhosen dabei und damit sehr gute Erfahrungen gemacht. Darauf hatte ich dieses Jahr verzichtet. Ein Fehler?
Mentale Stärke?
Die französische Verkehrssituation war mir im Grunde bewusst. Eigentlich stumpft man auch irgendwann ab. Ich glaube nicht, dass es in Frankreich mehr Verkehrstote unter den Radfahrern gibt als anderswo. Aber in Verbindung mit schlechter Laune wegen Sitzbeschwerden potenziert sich der Frust drastisch.
Mache ich sowas nochmal?
Zwei Versuche – beide male gescheitert und zwar im ersten Drittel des Rennens. Das TCR übt zwar eine gewisse Faszination auf mich aus, jedoch macht mir die Route durch den Balkan immer Unbehagen – vermutlich weil ich noch nie da war und mich eher von Vorurteilen leiten lasse (Horden von wilden Hunden, schlechte Infrastruktur, schlechte Straßen, unerträgliche Hitze).
Ich könnte mir vorstellen, dass eine Route in die entgegengesetzte Richtung deutlich motivierender ist. Irgendwie zieht es mich doch immer sehr nach Hause.
Ich werde auf alle Fälle Ende diesen Jahres mal rein aus Interesse auf die Rahmendaten des TCRNo12 gucken. ![]()
Ein Gedanke zu „Transcontinental Race No. 11“
Einfach nur: Danke für diesen wirklich unterhaltsamen, persönlichen und ehrlichen Einblick!