Toulon -> Freiburg

Toulon -> Freiburg

Die Vorgeschichte

Anfang Mai – konkret am 4. Mai sollte zum zweiten Mal das „Kill the Hill“ auf Mallorca stattfinden. An diesem Tag ist die Auffahrt zum Puig Major für Teilnehmer dieses Events geöffnet. Der Puig Major ist ansonsten militärisches Sperrgebiet.
Man fährt zunächst in einer großen Gruppe hinter einem Führungsfahrzeug bis zum Beginn des Sperrgebiets. Dort befindet sich eine Verpflegungsstation und die erste Zeitmessmatte. Nachdem sich dort alle Fahrer gesammelt haben, wird das „Rennen“ freigegeben und jede(r) versucht dann ein all-out bis zum Gipfel, wo die Zeit gemessen wird.
Die Veranstaltung ist gut organisiert, begleitende Motorräder sorgen dafür, dass entgegenkommende Fahrzeuge und Busse angehalten werden und so die Sicherheit der Teilnehmer gewährleistet ist.

Nur für dieses Event nach Mallorca zu fliegen, erschien mir jedoch nicht ausreichend und so beschloss ich schon früh, es per Rad wieder Richtung Heimat zu versuchen. Konkret mit der Fähre von Alcudia nach Toulon (Frankreich) überzusetzen und dann der Route des Grandes Alpes bis nach Genf zu folgen. Dort entweder weiterfahren (eher unwahrscheinlich) oder den Flixbus nehmen.

Da gab es nur einen Haken: Anfang Mai sind viele Pässe in den französischen Alpen noch gesperrt, was auch daran liegt, dass die Franzosen kein Interesse daran haben, die Straßen mit Räumfahrzeugen frei zu machen.
So plante ich die Route über „kleinere“ Pässe von denen die Möglichkeit bestand, dass sie vielleicht schon geöffnet sind.
Als dann kurz vor der Abreise ungewiss war, ob auch diese kleineren Pässe überhaupt geöffnet sein werden, plante ich noch eine weitere Alternativroute, die über den Mt. Ventoux nach Freiburg führen sollte. Der Mt. Ventoux sollte Anfang Mai geöffnet werden und war für mich eine Minimalanforderung, wenn schon keine 2000er Pässe gefahren werden. Die Strecke Freiburg -> Mt. Ventoux wird jedes Jahr von den Randonneuren Freiburg befahren. So habe ich die Streckenführung übernommen und einfach umgekehrt.
Mein Freund aus Studienzeiten – Hilmar – hatte schon früh beschlossen, mich auf der Tour zu begleiten und es war gut rauszuhören, dass er die Route über den Mt. Ventoux bevorzugte. Zwar etwas länger, dafür Zielort in Deutschland, von wo man mit der Bahn und 49 Euro Ticket deutlich besser weiter kommt und dabei deutlich weniger Höhenmeter fahren muss.

Abfahrt Sonntag, 05. Mai 2024

Am Sonntag gegen Mittag machen wir uns mit den Rädern auf den Weg nach Alcudia, wo wir die Fähre besteigen wollen. Zur Fähre begleitet werden wir von unserem Kumpel Zackel, der es jedoch vorzog, danach lieber mit dem Flieger wieder nach Deutschland zu gelangen.
Nachdem wir uns im örtlichen Einzelhandel noch mit den wichtigsten Dingen des täglichen Bedarfs (Bier, Rotwein, Baguette, Käse, Oliven und Süßpapp) eingedeckt hatten, fuhren wir zum Boarding, wo wir zu unserer Freude zahlreiche andere Radreisende trafen.

Pünktlich um 17 Uhr legte die Fähre ab – zunächst nach Menorca – und dann über Nacht weiter nach Toulon.
Im Vorfeld hatte ich noch eine Kabine gebucht, da ich schon gerne einigermaßen erholt auf die folgenden Etappen gehen wollte. Die Kabine erwies sich als zweckmäßig, hätte rein theoretisch sogar Platz für vier Personen gehabt (mit Klappbetten über den beiden fest verbauten Betten links und rechts).

Montag, 06. Mai 2024

Die Fähre sollte um elf Uhr anlegen und das tat sie vermutlich auch. Wir wurden jedoch schon früh aus unseren Kabinen gescheucht und machten uns auf Richtung Rumpf des Schiffes, wo unsere Räder stehen sollten. Dort nahmen wir eigentlich nur noch Geräusche wahr, denn die Tür zum Autodeck war geschlossen.
Nach einer halben Ewigkeit ging sie dann auf und wir waren erstaunt, wieviel Autos UND Fahrräder hinzugekommen sind, nachdem wir unsere Räder dort abgestellt hatten.

Nachdem sich das größte Knäuel aufgelöst hatte, durften wir auch endlich an unsere Räder, unsere Taschen festmachen und das Schiff verlassen. Draußen erwartetet uns durchwachsenes Wetter und es tröpfelte etwas – also eigentlich nichts weltbewegendes. Es dauerte etwas, bis wir die Stadt hinter uns gelassen haben, aber dann ging es gleich in die Berge (bzw. erst durch die Täler).

Was man dazu schreiben muss ist, dass wir auf den ersten 90 bis 100km teilweise recht heftigen Autoverkehr um uns herum hatten. Ich glaube, über die rücksichtslose Fahrweise der Franzosen hatte ich mich schon das ein oder andere Mal ausgelassen. Das war auch in dieser Gegend nicht anders und sollte sich den Rest der Tour auch nicht ändern. Seitenabstand in den meisten Fällen Fehlanzeige, gepaart mit einer zum Teil irrsinnigen Raserei. Was das angeht, ist Frankreich für mich ein absolutes Albtraumland.

Gefahren sind wir ca. 130km bis Apt, einer netten kleinen Stadt, wo wir eine einfache Übernachtungsmöglichkeit mit angeschlossener Pizzeria gefunden haben.

Dienstag, 07. Mai 2024

Heute also Mt. Ventoux.
Nach einem – für französische Verhältnisse – umfangreichem und leckerem Frühstück machen wir uns um neun Uhr auf den Weg. Es geht zum Mt. Ventoux Le Géant de Provence – Gigant der Provence. Zunächst müssen wir aber noch einen anderen Anstieg meistern, den Col de la Liguière. Dieser führt uns auf fast 1000m hinauf und so richtig hatten wir den gar nicht auf dem Schirm. Jedenfalls haben wir uns zu unserer Entscheidung am Vortag gratuliert, dass wir in Apt übernachtet haben und diesen Col nicht gestern noch versucht haben zu bezwingen. Die Tour scheint hier auch schon vorbeigekommen zu sein – darauf deuteten die vielen Graffities auf der Straße.

Weiter gings Richtung Sault, wo wir uns noch mit Proviant eingedeckt haben, bevor es hoch zum Mt. Ventoux ging.
Die Anfahrt von Sault gilt zurecht als die harmloseste Variante, da zunächst keine hohen Steigungsprozente erklommen werden müssen.
Unsere Einschätzung, dass hier so früh im Jahr (die Auffahrt wurde erst am Samstag aufgemacht) nicht besonders viele Radfahrer unterwegs seien, wurde komplett widerlegt. In Sault wimmelte es quasi vor Rad- UND Motorradfahrern. 🙁
Die Auffahrt zog sich – wie angekündigt – ewig hin und je höher man kam, desto kälter wurde es natürlich. Ganz oben dann Wolken, so dass man auch keine richtige Weitsicht mehr hatte.

Schon auf den letzten Metern nach oben kamen mir Zweifel auf, ob man überhaupt auf der anderen Seite runterfahren darf, denn es kamen uns viele Radfahrer, Autos und Motorräder entgegen.
Und so war es dann auch. Oben angekommen standen wir vor einer Schranke – aber was wäre der Mensch ohne Entdecker – und Forschergeist 🙂
OK, mit dem Auto wäre die Abfahrt wirklich nicht schön gewesen. Es lag zum Teil noch Schnee oder Geröll auf der Straße, aber für geübte Radfahrer kein Problem. Einige wenige Radfahrer kamen uns bei unserer Abfahrt auch entgegen.
Wir fuhren dann noch weiter nach Nyons, wo wir uns eine Unterkunft suchten. Gefahren sind wir an diesem Tag 106 km mit 2.470 Höhenmetern.

Mittwoch, 08. Mai 2024

Um kurz vor neun gehts nach einem guten Frühstück weiter. Wie weit wir heute fahren würden, wussten wir – wie eigentlich jeden Tag – nicht so genau. Richtung Norden auf jeden Fall und das bedeutete heute, den ganzen Tag mit Wind direkt von vorn kämpfen zu müssen.

Das Wetter zeigte sich auch nicht wirklich von seiner besten Seite. Ständig zogen dunkle Wolken an uns vorbei, so dass wir uns schon darauf einstellten, uns irgendwo unterstellen zu müssen. Aber wie durch ein Wunder blieben wir trocken. Dafür mussten wir mit dem Col de Bacchus unseren letzten größeren Anstieg dieser Tour bezwingen. Der Rest der Strecke bis Freiburg sollte dann bis auf ein paar kleinere Wellen relativ flach verlaufen.


Unterwegs stärkten wir uns noch mit einer Pizza aus dem Holzofen. Solch ein Gefährt würde bei uns das Gesundheitsamt vermutlich nach einer 30 sekündigen Prüfung für alle Zeiten dicht machen, hier aber kein Problem. Zu Recht – die Pizza war sehr lecker, die Betreiber total nett und auf dem Parkplatz war reger Betrieb, weil so viele Leute ihre Pizza abgeholt haben.


Als problematisch sollte sich heute unsere Hotelwahl erweisen. In Frankreich ist heute Nationalfeiertag (Tag der Befreiung = Kriegsende) und viele haben den Feiertag (und vermutlich den morgigen Himmelfahrt – Tag) als Gelegenheit genutzt, für ein langes Wochenende zu verreisen.
So finden wir eine Unterkunft in Nivolas-Vermelle, wo wir erst im Dunkeln ankommen. Nebenan ist eine Bier – Bar mit dutzenden verschiedenen Bieren. Wir wähnen uns im Bierhimmel, denn es läuft auch noch Fußball (Real gegen Bayern). Nur leider ist um 22 Uhr Schluss mit Bierausschank – warum auch immer? Geöffnet ist aber noch bis 23 Uhr, so dass wir wenigstens noch das Spiel gucken können.
Gefahren sind wir heute 188 km mit immerhin 2.944 Höhenmetern.

Donnerstag, 09. Mai 2024

Unsere Abreise aus dem Hotel verläuft etwas unharmonisch, da der Besitzer etwas ungehalten war, dass wir unsere Räder mit aufs Zimmer genommen hatten. Gestern hatte er uns bei der Ankunft großzügig einen Platz in der Garage angeboten, den wir aber mit 4€ pro Rad hätten zahlen müssen. Wir hatten dankend abgelehnt, waren in die besagte Bar gefahren und als wir des Nächtens zurückkamen, war niemand mehr am Empfang.
Das Wetter ist mal wieder total mies und die Wolken hängen tief in den Bergen. Außerdem haben wir weiterhin Wind direkt von vorn, was uns echt die Körner aus den Beinen zieht.

Erst gegen Mittag wird das Wetter besser, so dass sogar die Sonne rauskommt. Das ist überhaupt das Erstaunliche – wie schnell sich das Wetter ändert. Gerade hat man noch Angst, dass man eine Dusche abbekommt, ist kurze Zeit später fast keine Wolke mehr am Himmel.
Wir holen uns im Supermarkt Baguette, Käse und Oliven und setzen uns an einen Fluss zum Mittagessen.

Unser Übernachtungsproblem hat sich dagegen weiter verschärft. Nach 150 km gucken wir uns nach Übernachtungsoptionen um, müssen aber feststellen, dass bis auf hochpreisige Angebote in unserer Region nichts verfügbar ist – selbst auf Airbnb findet Hilmar nur einen Wohnwagen zu mieten, der aber nicht auf unserer Route gelegen hätte.
So werfe ich Besançon ins Rennen, was weitere 80km Fahrt bedeuten. Hilmar ist nicht so wirklich angetan von der Idee und so biete ich mich an, vorne zu fahren und Windschatten zu geben.
Kurz: wir haben es bis um halb zehn ins Hotel geschafft, aber die Fahrt war zum Ende hin echt Horror. Im Dunkeln auf einer stark befahrenen, teilweise mehrspurigen Straße ist kein Spaß – in Frankreich schon gar nicht.
So kommen wir auf immerhin 233 km mit 1.865 Höhenmetern.

Freitag, 10. Mai 2024

Aufgrund der Erfahrungen der letzten Tage plädiere ich dafür, dass wir uns frühzeitig um ein Hotel kümmern. Wir können uns jedoch nicht so recht darauf einigen, was die Mindestkriterien sind. Während Hilmar gerne nach 110 km in ein Etablissement gehen möchte, das mit 37 € nicht gerade Hoffnung auf Sauberkeit weckt (was durch div. Rezensionen so auch bestätigt wird), bin ich eher der Meinung, dass ich kein Student mehr bin und von daher auch bereit bin, ein paar mehr Euro für eine Übernachtung auszugeben. Da wir uns nicht so recht einig werden, beschließe ich für mich, so weit wie möglich zu fahren, zur Not auch über Nacht, um nach Hause zu kommen. Hilmar will sich mir anschließen, aber höchstens bis zur Grenze nach Deutschland, um dort zu entscheiden, wie es weitergeht.
Da das gestern schon seine längste Etappe war, wir heute zwar nicht ganz so lang, dennoch über 200 km unterwegs sein würden, fahre ich vorne, um Windschatten zu geben.
Ab Besançon ist die Strecke eigentlich fast komplett flach, da sie ständig am Fluss Le Doubs, später am L’Allan entlang führt. Ab und zu müssen wir mal die ein oder andere Fluss-Schleife abkürzen, doch da bin ich mir etwas unsicher, ob nicht der längere Weg am Ufer entlang schneller gewesen wäre.

Bei einer kurzen Rast lernen wir einen allein radelnden 78-jährigen Deutschen aus Aachen kennen. Er erzählt, dass das nicht seine erste Tour ist und er schon auf vielen Kontinenten gefahren ist. Ich finde sowas immer total inspirierend, weil es mich ja selbst auch immer noch umtreibt, mit dem Rad auf große Reise zu gehen. Interessiert höre ich mir an, dass er einen Koga Rahmen fährt, auf den man lebenslange Garantie hat. Allerdings ist das auch schon sein dritter Rahmen, weil bei den anderen beiden irgendwann die Sitzstreben gebrochen sind.
Nun ist das ja eine feine Sache, dass man dann immer einen neuen Rahmen bekommt. Schwierig ist das nur, wenn man irgendwo in the middle of nowhere sitzt und das Ding kaputt geht. Für mich eher kein Kaufargument.
Ein wenig konnte ich ihn noch ausquetschen, dann wollte er weiter. Schade eigentlich.

Wir kommen gut voran und kommen der Grenze zu Deutschland näher. Kurz davor kommt es dann aber doch noch zu unserer ersten und einzigen Reifenpanne. Hilmars Hinterrad ist platt. Schwalbe eben. Bin ich ja auch auf meinem Canyon gefahren – Erstausrüster. Habe ich dann irgendwann weggeschmissen und durch Conti ersetzt. Aber da gibt es wohl verschiedene Philosophien.
Nachdem der Schlauch ersetzt war, mussten wir uns aber etwas sputen. Ich hatte mein Vorhaben aufgegeben, noch mit dem Rad nach Hause zu fahren. Viel zu groß war die Verlockung, heute Nacht noch im eigenen Bett zu schlafen. Grund für die Eile war, dass es nicht mehr so viele Zugverbindungen gab. Um halb acht fuhr noch ein Zug von Freiburg nach Karlsruhe, von dort weiter nach Mannheim und von dort nach Frankfurt. Leider ging der Letztgenannte nicht über Darmstadt, dafür aber über Gernsheim. Dort könnte ich aussteigen und nochmal 16km mit dem Rad nach Hause fahren.
Hilmar wollte nach Würzburg. Dahin ging aber in der Nacht kein Zug mehr. Seine letzte Verbindung würde von Frankfurt nach Aschaffenburg gehen, wo er in der Nacht ca. vier Stunden Aufenthalt hätte.
Ich hab ihm angobten, mit zu mir zu kommen, aber das hat er abgelehnt 🙁
Scheinbar hatte ich ihn in den letzten beiden Tagen zu sehr getriezt, so dass er es vorzog, auf einem Bahnhof in der Nacht auszuharren…

Gefahren sind wir 205 km mit 895 Höhenmetern.

Resümee

Die gesamte Streckenwahl war als Fallback zur ursprünglichen Strecke über die Alpen geplant und so hat sie sich auch dargestellt. Ich habe von Toulon zum Mt. Ventoux das genommen, was Komoot angeboten hat, ohne es nochmal zu überarbeiten. Das hatte zur Folge, dass wir einige Straßen gefahren sind, die viel zu viel Verkehr hatten und das war anstrengend und frustrierend.
Ab dem Mt. Ventoux hatte ich mich auf die Freiburger Randonneure verlassen, die die Strecke jedes Jahr fahren. Da hatte ich gehofft, dass die Strecke nach und nach optimiert wurde. Vielleicht war das auch so, aber auch hier sind wir Straßen gefahren, die einfach ätzend waren. Wenn du schon auf eine Straße einbiegst und siehst, dass sie ewig lang geradeaus ohne einen Randstreifen geht, weißt du, was dich erwartet. Schnell fahrende Autos, die auch kein Problem damit haben, bei Gegenverkehr zu überholen. Das stresst.
Mit dem Wetter hatten wir dagegen Glück. Wir hatten zwar – bis auf den ersten Tag – an allen anderen Tagen permanenten Gegenwind, dafür aber keinen Regen (bis auf die Abfahrt vom Mt. Ventoux). Die Temperatur fiel teilweise auf vier Grad, was es in den Abfahrten ein wenig herausfordernd machte, ansonsten aber kein Problem darstellte.
Selbstkritisch muss ich feststellen, dass nach ein paar Tagen des Radelns mein Zuhause einem immer stärker werdendem Magneten entspricht und ich alles daran setze, dorthin zu kommen. Wenn man alleine fährt, ist das kein Problem. Wenn man zu zweit fährt, schon eher…

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