Sonntag, 11.05.2014 – holy shit
Bei der gestrigen Aufzählung der Sehenswürdigkeiten entlang des Highways habe ich doch glatt vergessen zu erwähnen, dass zwischen den ganzen McDonalds und Tankstellen mindestens noch alle 1000m eine Baptistenkirche kommt.
Bevor ich mich aber der Blasphemie schuldig mache: das ist nicht der Grund der Überschrift. Vielmehr die folgenden Dinge:
Zum einen ist die Nacht um vier zu Ende. Ich kann machen was ich will, aber an schlafen ist nicht mehr zu denken. Nora gehts zum Glück genauso.
Als wir um sechs Uhr rausgehen, ist es draußen extrem windig und wäre der Wind nicht so warm, hätten wir vom Gefühl her auch an der Nordsee sein können.
Das amerikanische Frühstück muss man wohl nicht näher beschreiben. Was mich dann aber doch wundert ist, dass es nur Wegwerfgeschirr gibt. Hätten wir doch ins Hyatt gehen sollen?
Nach dem Frühstück machen wir uns mit dem Radkoffer auf den Weg zum Flughafen, wo uns zunächst nicht geholfen werden kann weil der Bearbeiter erst um halb zehn da ist. Also fahren wir nach Houston rein um uns die Stadt anzusehen.
Wieder zurück am Flughafen, erklärt mir der Mitarbeiter von Air Canada, dass man den Radkoffer nach Dallas schicken müsse und die dort entscheiden, was damit passiert.
Möglichkeit A: er wird repariert (also wenn die Jungs nicht viel Langeweile haben und handwerklich begabt sind, werden sie von dieser Lösung Abstand halten).
Möglichkeit B: sie schicken mir einen neuen Koffer zurück (auch das halte ich für ziemlich ausgeschlossen und vor allem: bis wann?)
Möglichkeit C: ich bekomme Geld (das scheint mir am realistischen zu sein – bloß wieviel)
Mein Vertrauen in diesen Prozess wird nicht gerade bestärkt, als der Mitarbeiter – nachdem er einen Computerausdruck dessen gemacht hat, was er vorher einghackt hat – nochmal anfängt, alles von dem Ausdruck abzuschreiben. Vielmehr sagt er mir hinterher, dass ICH am besten am Dienstag mal dort anrufe und frage, wie der Stand der Dinge ist. Auf meine Frage, auf welche Bearbeitungsnummer ich mich beziehen solle, rückt er damit raus, dass das jetzt gerade ein wenig schwierig sei, da es keine gibt und er sich auch nicht erklären kann, warum der Computer keine rausgespuckt hat. Er würde mich aber ganz sicher heute Abend noch anrufen und mir die Bearbeitungsnummer mitteilen.
Ich verlasse das Flughafengebäude und halte Möglichkeit C mittlerweile auch für ziemlich abwegig. Ich werde also auf eigene Kosten bis nächsten Montag irgendeine Art Behältnis für mein Rad organisieren müssen.
Trainiert wurde dann auch noch irgendwann. Vorgesehen waren, 2,5 h Rad zu fahren, davon 3 x 12 Minuten im IM-Tempo, gefolgt von einem Koppellauf von 20 Minuten.
Ich suche mir eine Strecke auf gpsies zusammen, lade sie auf den Garmin hoch und mache mich auf den Weg. Zu trinken nehme ich mir einen Liter Wasser und ein Gel mit – nicht dass ich wirklich glaubte, so viel zu brauchen, aber man weiß ja nie. Für die größte Not noch 20 Dollar eingepackt.
Der Rückenwind lässt mich mühelos mit 40 bis 50 km/h fahren. Der Verkehr ist anfangs recht dicht, wird dann aber deutlich weniger. Die amerikanischen Autofahrer sind sowieso schon super entspannt und auch als Radfahrer merke ich, dass man hier sehr viel Rücksicht nimmt. Gibt zwar den ein oder anderen Blödmann, der einen ärgern will, aber alles in allem ist es ein entspanntes Fahren.
Leider hat das Fahren mit Rückenwind irgendwann ein Ende und ich muss gegen den Wind ankämpfen. Die Geschwindigkeit geht jetzt auf 25 km/h zurück und ich habe ganz schön zu tun. Das sollte ich mir vielleicht für Samstag merken: nicht auf den ersten Kilometern noch ballern wie blöde, damit ich auf den Gegenwindpassagen nicht komplett KO bin. Jetzt jedenfalls saugt mir der Wind rapide den Akku alle. Dazu kommt die Hitze, die man immer dann spürt, wenn man mal an einer Ampel steht und es windgeschützt ist.
Meine Verpflegung ist jedenfalls schon vor Ende der Strecke restlos aufgebraucht und ich sehne mir das Ende herbei.
Am Hotel angekommen, trinke ich noch einen halben Liter Wasser auf ex und ziehe mir danach die Laufschuhe an.
Das Laufen ist super anstrengend und ich komme kaum voran. Jetzt meldet sich auch das kalte Wasser im Magen und sorgt für Krämpfe. Aus den 20 Minuten werden zehn Minuten weil nichts mehr geht. Ich bin stehend KO und könnte sofort einschlafen.
Nun ist dieses Training nicht ganz so wie erwartet verlaufen, aber ich will es auch nicht überbewerten. Zum einen ist da die Zeitverschiebung: als ich losgefahren bin, war es nach deutscher Zeit etwa halb zwölf nachts und ich war seit 12,5 Stunden wach. Dann hat mir das Training aber nochmals vor Augen geführt, wie wichtig es hier ist, ausreichend zu trinken. Ich habe eher noch zu wenig getrunken und trotzdem war ein Liter nach 2,5 Stunden weg. Im Rennen werde ich einen Liter innerhalb einer Stunde trinken müssen.
Zu guter letzt hat mich das Training Demut gelehrt. Die Hitze macht dieses Rennen zu einem der anstrengendsten überhaupt im Ironman Rennzirkus. Auch wenn ich mich gut trainiert fühle, ist hier noch nichts gewonnen. Ich muss das Rennen diszipliniert angehen.
Der Typ von Air Canada hat natürlich nicht mehr angerufen…