Transpyrenees 2022

Transpyrenees 2022

Nachdem ich letztes Jahr das Three Peaks Bike Race verkackt hatte, mich die diesjährige Streckenführung, bzw. die drei Peaks nicht sonderlich reizten, habe ich mich für das Transpyrenees Rennen entschieden.

Der Start erfolgt in Llanca am Mittelmeer, das Ziel liegt in San Sebastian am Atlantik.
Dazwischen gilt es, 33 Pässe mit insgesamt 25.000 Höhenmetern auf einer Länge von 1080 km zu überwinden.
Die Strecke wird komplett vom Veranstalter vorgegeben, so dass man sich nicht ewig mit der Planung der „besten“ Route beschäftigen muss. Dies hat in meinen Augen sowohl Vor- als auch Nachteile. Der Vorteil ist, dass man sich nie unsicher sein muss, ob man nicht vielleicht Details bei der Planung übersehen hat und dass man immer auf Mitfahrer trifft. Der Nachteil ist – zumindest war das in meinem Fall so – dass ich mich nicht sehr ausführlich mit der Strecke beschäftigt habe.
Hatte ich mir beim Three Peaks letztes Jahr noch ein Roadbook angelegt, in dem ich haarklein sämtliche Trinkwasserstellen, Fahrradläden und Lebensmittelgeschäfte auf der Strecke eingetragen hatte, habe ich mir diese Arbeit dieses Jahr gespart. Es wäre aber schon von Vorteil zu wissen, ob und wo man unterwegs auf sowas wie eine Zivilisation bzw. Infrastruktur trifft. Irgendwann wird man nämlich hungrig, durstig oder müde.

Aber das nur vorweg.

Der Start des Rennens erfolgte am Samstagabend um 20 Uhr, Zielschluss ist am darauffolgenden Freitag, ebenfalls um 20 Uhr.
Das heißt, das Rennen startet quasi in die Nacht hinein und das hat mir im Vorfeld einiges Kopfzerbrechen bereitet. Wie weit kommt man, wenn man schon den ganzen Tag wach war, wo schläft man, wenn man müde wird?

Tag 1 – Samstag / Sonntag

Als der Startschuss ertönt, setzen sich 97 Einzel- und 11 Paarstarter in Bewegung.

Startaufstellung in Llanca

Wir werden per Polizeieskorte durch die Stadt geführt und sind dann irgendwann auf der Küstenstraße, wo es gleich ordentlich bergauf geht. Das Feld zieht sich dementsprechend schnell in die Länge und man findet seinen Platz innerhalb einer Gruppe.
So geht es dann in die Dunkelheit hinein.

Es wird Nacht.

Von Müdigkeit erstmal keine Spur. Nur machen mir langsam zwei andere Dinge Probleme: zum einen sind ständig Radfahrer um einen herum, es ist dunkel, geht rauf und runter auf kleinen Straßen, die nicht im besten Zustand sind: ich komme nicht zum trinken, oder vergesse es einfach. Das heißt, ich bekomme Krämpfe in den Beinen.
Als ich dann trinke, trinke ich das Falsche. Ich hatte mir vor dem Start noch jede Menge Eiskaffee besorgt und in die Trinkflasche gefüllt. Meine Idee war, dass ich so wach bleibe und mir der Zucker im Eiskaffee noch Energie liefern würde. Nur ist mir das Zeug auf den Magen geschlagen und mir war richtiggehend übel. Also habe ich das Zeug an der ersten Stelle, an der man seine Trinkflaschen auffüllen konnte, entsorgt.

Irgendwann fuhren wir zu dritt durch die Nacht. Mit mir zusammen Conrad und Valentin – beide aus Deutschland. Es ging kleine Nebenstraßen hoch und runter. Bei Tage bestimmt eine schöne Strecke, bei Nacht im Grund auch – nur ohne Sightseeing.
Im Morgengrauen erreichten wir den ersten nennenswerten Pass, der immerhin schon 1866 Höhenmeter hatte.

Col de la Llose

Mittlerweile ist es kalt, ich bin total KO und würde mich am liebsten einfach an den Straßenrand zum pennen legen. Das lassen meine Begleiter aber nicht zu und so fahre ich ihnen hinterher, bis Conrad einen Bäcker ausmacht, den wir direkt ansteuern. Der macht zwar erst eine viertel Stunde später auf, aber so lange können wir dann doch noch warten.

Was zwei Schoko-Crossaint, ein Kaffee und eine Dose Cola ausmachen. Nach dieser kurzen Pause gehts mir wieder blendend und wir fahren weiter Richtung Andorra zum höchsten Pass der Pyrenäen, den Port d‘ Envalira, zugleich Checkpoint #1
Zu Andorra hat wohl jeder, der schonmal dort war, sein eigenes Bild. Wenn man nicht gerade Alkoholiker oder Kettenraucher ist, dann hat man hier wenig, was einem den Aufenthalt schmackhaft macht. Als Radfahrer fällt die Beurteilung wenig schmeichelhaft aus. Heute wird das ganze nochmal dadurch bestärkt, dass mir in der Auffahrt zum Envalira ständig Reifenquietschen in die Ohren dringt. Ich verfluche den Vollidioten, der hier wilde Sau spielt und stelle mich schon innerlich darauf ein, dass mir in der nächsten Serpentinenkurve, ein Auto quer entgegenkommt. Aber da kommt nix. Gleichzeitig wird der Krach immer schlimmer.
Oben angekommen, sehe ich den Grund dafür: dort oben gibt es ein Motodrom und heute findet eine Driftveranstaltung statt.
Es gibt wirklich keinen Grund, hier mehr Zeit zu verbringen und so ziehe ich meine Windweste an und fahre weiter.

Mit Abstand das schönste, was es hier oben zu sehen gab. Alles andere war einfach nur hässlich.

Meine beiden Mitfahrer hatte ich zwischenzeitlich verloren. Valentin schon kurz vor dem Bäckereibesuch, Conrad war ich bei der Auffahrt zum Envalira zu langsam

Oben habe ich ihn dann wieder eingeholt, weil er ewig gebraucht hat, sich anzupellen und dann noch den neuen Track auf seinen Radcomputer laden musste.
Ich muss zugeben, dass ich etwas beleidigt war, nachdem er mir kurz vorher eröffnet hatte, dass ich ihn aufhalten würde und so bin ich vor ihm in die Abfahrt und hab mich auch erstmal nicht mehr einholen lassen.

Am Ende der nächsten Steigung traf ich dann Valentin wieder, der hier auf einer Bank eine kleine Pause gemacht hat. Ich hab die Bank dann von ihm übernommen, um kurz ein wenig die Augen zuzumachen.
Nach einer halben Stunde bin ich dann weiter Richtung nächsten Pass, den El Canto. Es ist mittlerweile total heiß und ich bin total fertig. Ich mache unzählige Pausen und nutze jede Wasserstelle, um mich abzukühlen. Weil mir meine Pausen dann irgendwann zu zahlreich werden, mache ich mit mir einen Deal aus: Zwischen den Pausen wird wenigstens ein Kilometer zurückgelegt. Das funktioniert wider Erwarten ganz gut und irgendwann bin ich dann auch oben.

Am Ende der darauffolgenden Abfahrt bleibe ich vor dem erstbesten Hotel stehen und da auch gerade zwei spanische Mitfahrer dort eintreffen und wir uns vergewissert haben, dass die Unterkunft OK ist, checken wir dort ein. Nach 22 Stunden auf dem Sattel steige ich unter die Dusche und falle danach ins Bett.

Gefahren bin ich 349 km mit 7647 Höhenmetern in einer Nettozeit von 18:55 Stunden.

Tag 2 – Montag

Streng genommen ja eigentlich der dritte Tag.
Während gestern die Sonne strahlte, wurde für heute Regen angekündigt.
Um sechs Uhr sitze ich auf dem Rad und fahre los. Es geht hoch zum Port de la Bonaigua, der mit 2072 Metern in den Club der 2000er gehört. Die Steigung ist erst sehr gemächlich, wird aber mit Gegenwind etwas aufgewertet.
Irgendwann setzt dann der angekündigte Regen ein, was – wenn man bergauf fährt – nicht so richtig tragisch ist. Immerhin strengt man sich an und es ist warm.
Das ändert sich allerdings schlagartig, sobald man die Passspitze erreicht hat und es bergab geht. Ratzfatz sind die Füße durch das aufspritzende Regenwasser komplett durchnässt, es kommt ständig kaltes Wasser nach und mangels Bewegung (wenn man vom krampfhaften Ziehen der Bremsen absieht), kühlt man mehr und mehr aus.
Als ich in Vielha angekommen bin, kann ich den Lenker kaum noch halten und beschließe, dass die Reise hier für heute endet.
Tage später denkt man dann ja doch etwas anders über die Situation, zumal wenn man sieht, dass andere an dem Tag deutlich weiter gefahren sind.

Gefahren bin ich 76 km mit 1668 Höhenmetern in einer Nettozeit von 4:35 Stunden.

Tag 3 – Dienstag

Ich hätte am vorigen Tag zahlen sollen.
So musste ich eine halbe Stunde mit dem Nachtportier verbringen, weil er nicht wusste, wie man das Kartenterminal bedient.
Der Plan für heute: Col de Tourmalet. Ambitioniert, aber machbar. Vor allem nach dem gestrigen Ruhetag.

Höhenprofil Tag 3

Als „Schmankerl“ stand heute die Sackgasse zum Cap de Long auf der Routenplanung. Mit 2161 Höhenmetern auch nicht gerade einfach zu bewältigen.
Im Gegensatz zu gestern ist das Wetter wieder schön und verspricht, auch so zu bleiben. Ich bin mit der Welt wieder versöhnt.
Als ich mich an den Anstieg mache, kommen mir einige Radfahrer wieder entgegen. Die Glücklichen. Sie haben den Anstieg schon hinter sich.
Der Anstieg zieht sich wie Gummi und ist am Anfang – aufgrund des Verkehrs – sehr unangenehm. Irgendwann geht die Stichstraße rechts ab und ab hier sind nur noch wenige Touristen auf der Straße.
Oben angekommen, treffe ich zwei spanische Mitfahrer, die hier ihre ausgiebige Mittagspause machen und dabei ein Bier trinken.
Auf meine Frage, ob das Bier mit oder ohne Alkohol sei, bekomme ich nur die Antwort, dass es ohne Alkohol ja wohl kein Bier sei. Auch wieder wahr 🙂
Ich überlege kurz, ob ich auch eins trinken soll, denke dann über die halsbrecherische Abfahrt nach und bestelle mir zwei Cola.

Am Cap de Long – zugliche Checkpoint #2

Bei der anschließenden Abfahrt bin ich wirklich froh, kein Bier getrunken zu haben. Die Straße ist in so schlechtem Zustand, dass ich mich mit aller Kraft am Lenker festhalten muss.
Nach dieser zweithöchsten Steigung (in Höhenmetern), muss ich nur noch über den Col d‘ Aspin und den Col du Tourmalet, beides Klassiker bei der Tour de France.

Der Col d‘ Aspin war eigentlich fix erledigt, der Tourmalet hats schon ganz schön in sich gehabt. Die Strecke rauf zieht sich wie Kaugummi und die hässlichen französischen Skiorte, die man auf den Weg dorthin passieren muss, vereinfachen es einem auch nicht gerade. Zudem ist dieser Pass natürlich beliebt und so wird man von dem ein oder anderem Rennradfahrer auf dem Weg nach oben locker vernascht.
Die letzten Kilometer fahre ich im Nebel – Sichtweite zwanzig Meter. Dort werde ich dann auch noch von einem der beiden Spanier vom Port de Long (die mit dem Bier) überholt. Ihn treffe ich dann oben an der Spitze wieder, wo wir uns beide für die Abfahrt wintersicher machen.

Vielleicht hätte ich mich bei Sonne mehr gefreut, hier zu sein.

Am Ende der Abfahrt suche ich mir ein Hotel. Wie es der Zufall will, bin ich im gleichen Hotel wie die beiden Spanier – Vicente und Javier.
Wir trinken natürlich Bier zum Abendessen 🙂

Gefahren bin ich 188 km mit 6187 Höhenmetern in einer Nettozeit von 11:40 Stunden.

Tag 4 – Mittwoch

Am gestrigen Abend hatten wir verabredet, dass wir gemeinsam um halb sieben starten wollen.
Am vereinbarten Treffpunkt bin ich dann allein und vermute schon, die beiden sind früher gestartet.
Irgendwann kam dann aber Javier, entschuldigte sich, dass sie verschlafen hätten und versicherte, dass sie in einer viertel Stunde fertig seien.
Ich muss schon sagen, die beiden haben offensichtlich die richtige Einstellung zu dem Event. Ich bin immer so früh wach, dass ich mich morgens schon ein wenig geärgert habe, mich verabredet zu haben. Ich hätte wohl schon um sechs oder früher auf dem Rad gesessen. Auch ihre Leidenschaft zu längeren Mittagspausen teile ich nicht gerade. Normalerweise decke ich mich im Supermarkt mit dem Nötigsten ein und sehe dann zu, dass ich irgendwo ein ruhiges Plätzchen im Schatten finde.

Wir starten also um sieben – fahren etwa eine halbe Stunde und machen dann erstmal ausgiebig Frühstück in einer Bäckerei.

Höhenprofil

Nachdem das erledigt ist, fahren wir in den ersten Berg. Hier zeigt sich gleich das Kräfteverhältnis: Vicente fährt vorn, ich in der Mitte und hintendran Javier. Für mich eigentlich eine komfortable Situation. So habe ich nicht das Gefühl, die beiden aufzuhalten und muss selbst aber auch nicht ständig warten. Ist auch nicht so, dass zwischen Javier und mir Welten liegen würden.
Nur eine Sache bereitet mir üble Sorgen: ich habe massive Knieprobleme rechts. Die werden bei der Auffahrt zum Col d‘ Aubisque so heftig, dass ich nicht mehr treten kann.
Als Javier an mir vorbeizieht, sage ich ihm, was Sache ist und dass sie nicht auf mich warten sollen, weil ich nicht weiß, ob ich überhaupt zu Ende fahren kann.

kurz vor dem Col d‘ Aubisque


Ich bin verzweifelt und befürchte, ein DNF zu machen. Irgendwie rette ich mich dann aber einbeinig tretend zum Col und von dort ins Tal, wo ich im nächsten Dorf Vicente und Javier in einer Pizzeria treffe – natürlich mit Bier.
Da sie noch nichts zu essen vor sich stehen haben, können sie auch noch nicht so lange hier sein. Was haben die in der Zwischenzeit gemacht? Ich habe gefühlt ewig bis dorthin gebraucht.
Nach einer Pizza und vier Cola werfe ich zwei IBU400 ein, um den Knieschmerzen Herr zu werden. Mit Erfolg.
Zu dritt fahren wir weiter.
Die Pizza, die vier Cola und die zwei IBU haben mir so viel Energie geliefert, dass ich beim Anstieg zum Col du Somport gar nicht mitbekomme, dass die beiden gar nicht mehr an meinem Hinterrad klemmen.
Weit und breit hinter mir niemand mehr zu sehen. Also fahre ich alleine weiter und gucke oben auf der Passhöhe auf den Tracker, wo die beiden sind. Da sie ca. 1,5 km hinter mir sind, beschließe ich zu warten.
Am Col du Somport ist zugleich Checkpoint #3 und der Anfang der Atlantischen Pyrenäen. Das heißt, die Cols sind vorbei und es gibt nur noch kurze (heftige) Anstiege. Zugleich wird die Infrastruktur schlechter und da rächt sich, dass ich mich nicht ausreichend vorbereitet hatte. Ich hatte keine Ahnung, wo die nächsten größeren Orte sind und man eine Schlafmöglichkeit findet.
Ich hatte zwar Schlafsack und Isomatte dabei, war aber nicht wirklich scharf darauf, diese auch auszupacken. Ein warmes Bett und vorher eine warme Dusche erschienen mir viel segensreicher nach einem langen Tag auf dem Sattel, als die Aussicht, irgendwo in einem Bushäuschen schlafen zu müssen (zumal es Bushäuschen in dieser Gegend auch gar nicht gab).

Als die beiden oben ankommen, fahren wir wieder zu dritt weiter. Auf meine Frage, wo sie denn abgeblieben sind, sagte mir Javier, dass er eine Cola benötigt hätte, weil er nicht mehr konnte.

Wenig später checken wir in einer Herberge ein. Riesiges Zimmer und total hellhörig. Anschließend gehen wir noch im Ort in eine Kneipe, wo natürlich wieder viel Bier floss.
Die beiden sind schon echt lustig und die Spanier an sich sehr gesellig. Überall wo wir hinkommen (solange es auf der spanischen Seite der Pyrenäen war), kamen sie gleich mit allen ins Gespräch und haben lange und ausführlich palavert.

Gefahren bin ich 170 km mit 5077 Höhenmetern in einer Nettozeit von 9:53
Also nicht wirklich viel…

Tag 5 – Donnerstag

Wir sind verabredet, um sieben Uhr zu starten.
Ich bin um halb vier wach, weil sich die ersten anderen radfahrenden Gäste auf den Weg machen. Wie geschrieben – die Herberge war hellhörig.
Um halb vier hätte ich jetzt noch nicht losfahren wollen, aber sieben war auch nicht so meine Zeit (zu spät). Aber zu dritt fahren ist angenehmer, also was solls.
Von der Herberge sind wir erstmal zur nächsten Tankstelle, wo die beiden einen dritten Spanier treffen, mit dem sie vorher schonmal ein Stück gefahren sind. Wir trinken wieder den ein oder anderen Kaffee, essen süße Stückchen und dann gehts endlich los. Der Dritte (Edgar), reihte sich kräftemäßig knapp oberhalb von Javier ein. Dafür haben die beiden so dermaßen viel geredet, dass man hätte meinen können, bei der Liveberichterstattung der Vuelta dabei zu sein. Unglaublich und echt lustig.
Wie angekündigt, kommt jetzt ein anderes Höhenprofil. Kurze Aufstiege, kurze Abfahrten. Das führt dazu, dass man sich ständigt die Windjacke an- und wieder ausziehen muss, also mehr Pausen macht, als sonst. Außerdem sind die Straßenverhältnisse echt bescheiden. Zum Teil gleichen die Abfahrten irgendwelchen Gravel-Trails. Bei Dunkelheit hätte ich hier nicht fahren wollen.

kurze Aufs und Abs


In einer der nächsten Orte, wird natürlich wieder eine Kaffeepause eingelegt.
Javier scheint es heute nicht sonderlich gut zu gehen und nachdem er schon eine viertel Stunde auf dem Klo hockt, entschließt sich erst Edgar und dann ich, allein weiterzufahren.
Edgar treffe ich zwar später irgendwann wieder, aber da ist er schon wieder mit dem nächsten Spanier heiß am diskutieren.

Schön wars auch. Heute ging es fast nur über solche Straßen.

So fahre ich den kompletten Rest allein. Vorteil (für mich): kurze Pausen, eigenes Tempo, eigene Pausenregel. Nachteil konkret: am Ende wurds echt zäh und das lag daran, dass das Wetter wieder schlechter wurde. Ich fuhr in die Regenwolken und die Motivation ging rapide in den Keller. Alleine fahrend, zieht einen das noch weiter in den Keller.

Nebel und Nässe

Ich verfluche den Veranstalter, muss zeitgleich aber auch einsehen, dass er für das Wetter ja nichts kann und es hier bei Sonne bestimmt total schön ist. Immerhin begegnet einem hier – bis auf Kühen – nichts und niemand. Wenn man sich jetzt noch einbilden würde, eine tolle Weitsicht zu haben…

Im nächsten Ort kommt dann wieder das, was eigentlich immer am vermeintlichen Ende eines solchen Tages kommt. Durchnässt und durchgefroren, suche ich mir eine Unterkunft. Von der Uhrzeit und der Streckendauer hätte ich auch noch weiter fahren können, aber die warme Dusche war einfach zu verlockend.
So lande ich im Ort Saint-Jean-Pied-de-Port – scheinbar der Ausgangspunkt für die meisten Jacobsweg-Wanderer. Dementsprechend teuer war die Unterkunft…

Gefahren bin ich 169 km mit 6430 Höhenmetern in einer Nettozeit von 9:03 Stunden.
Kleinvieh macht also auch Mist (viele Höhenmeter). Die Fahrtzeit war die kürzeste (nach meinem Regenabbruch). Wäre ich bei strahlendem Sonnenschein weiter gefahren?

Tag 7 – Freitag

Heute Schlussetappe.
Da es bis zum Ziel nur noch 115 km sind (bis zum Wertungsziel sogar noch weniger, da die letzten Kilometer durch San Sebastian neutralisiert sind), gönne ich mir heute sogar ein Frühstück im Hotel. Das gibts erst ab sieben und so sitze ich erst um halb acht auf dem Rad.

heutiges Höhenprofil

Das Höhenprofil sieht eigentlich nicht so furchtbar aus, wenn da nicht ganz am Ende noch dieser fiese Anstieg zum letzten Checkpoint und damit Ziel wäre.
Das Wetter ist schön und es rollt gut. Mein Knie habe ich seit vorgestern mit IBU im Griff, was sich auch positiv auf mögliche Sitzbeschwerden auswirkt.

Hier oben wars echt schön. Da unten dann nicht mehr so…

Freitag scheint in Frankreich der Tag der Rennradfahrer zu sein. Mir kommen unendlich viele Grüppchen entgegen. Bei den meisten Gruppen wird der Altersschnitt bei Ü70 gelegen haben und alle haben sich wie Bolle gefreut, wenn man sie gegrüßt hat.

Nachdem der letzte Aufstieg geschafft war, kam dann endlich die Zielflagge.
Bis auf diese Flagge war hier aber auch nix anderes. Kein Empfangskommittee, nix.

Das kam dann erst im Ziel in San Sebastian.
Und sie hatten kaltes San Miguel mitgebracht 😀

Die Dose war nach zehn Sekunden Geschichte.

Gefahren bin ich heute 112 km mit 2049 Höhenmetern in 5:30 Stunden.

Gesamtplatz 59 von 97 gestarteten Einzelfahrern, wovon 73 ins Ziel gekommen sind. Zugleich war ich lt. Veranstalter der älteste Teilnehmer.

Fazit

Bei den meisten Veranstaltungen, die einen an den Rand der Erschöpfung gebracht haben, sagt man hinterher erstmal: NIE WIEDER !!! und instruiert die eigene Frau, einen für unzurechnungsfähig erklären zu lassen, sollte man jemals auch nur kurz darüber nachdenken, sowas jemals im Leben wieder tun zu wollen.
Bei mir hielt sich dieser Zustand vielleicht zwölf Stunden (bis ich wieder zu Hause war), dann war ich mir sicher, dass die Tour eigentlich total Spaß gemacht hat. OK, anstrengend wars und ich war oft verzweifelt. Aber mal ehrlich: ich hab jeden Abend eine warme Dusche und ein trockenes Bett gehabt. Ich bin das Ding vielleicht „altersgerecht“ gefahren oder vielleicht auch „bequem“ aber nie so, dass ich mich wirklich komplett außerhalb meiner Komfortzone befunden hätte.
Am liebsten würde ich sofort wieder losfahren 🙂

Was hat sich bewährt, was nicht?

Das hier nicht:
In meiner Packliste waren unter anderem ein Schlafsack und eine Isomatte. Beides habe ich nicht gebraucht. Eingepackt hatte ich sie eigentlich auch nur zur Sicherheit, weil ich nicht wusste, wie die erste Nacht verlaufen würde. Dass ich mitten in der Nacht keine Unterkunft finden würde, war mir klar, aber was würde ich machen, wenn ich bspw. um zwei Uhr keinen Meter mehr fahren kann?
Alles unbegründet. Wenn man die Strategie fährt, ansonsten ins Hotel zu gehen, kann das Zeug zu Hause bleiben.

Sitzcreme: fand ich letztes Jahr bei meiner Tour von Lissabon nach Darmstadt unverzichtbar, hier habe ich sie nicht gebraucht. Zum einen: Assos – es gibt (für meinen Hintern) nix besseres, zum anderen geht man oft genug aus dem Sattel, so dass erst gar keine Schmerzen und Druckstellen entstehen (und vielleicht war das IBU auch nicht schuldlos).

Vier Trinkflaschen: ich hatte zwei im Rahmendreieck und zwei hinter dem Sattel. OK, ich hab sie alle vier gebraucht, aber auch deshalb, weil ich sie hatte. Es wäre wohl auch mit zwei Flaschen gegangen. Auf jeden Fall hätte ich weniger Gewicht mit mir rumgeschleppt.

AppCon: in Verbindung mit einem Nabendynamo eigentlich eine feine Sache. Permanente Stromquelle verbunden mit Pufferakku. Was sich in der Theorie toll liest, hat jetzt den dritten Test total verkackt. Letztes Jahr für die Lissabon Tour angeschafft, hat das Ding nach drei Tagen den Dienst eingestellt. Das Ersatzgerät hat beim Three Peaks nach zwei Tagen den Dienst quittiert und das erneute Austauschgerät auf der diesjährigen Tour nach einem Tag. Ich weiß nicht, wie die tollen Rezensionen bei Amazon zustande kamen, aber bei mir gabs drei Ausfälle bei drei Einsätzen. Zum Glück hatte ich noch eine Powerbank und ein Ladegerät dabei. Damit gings auch.

Bargeld: braucht man wohl nur noch in Deutschland. In Spanien und Frankreich kann man an jeder Pommesbude mit Apple-Pay zahlen.

Das hier war gut:
Meine rote Patagonia Micropuff Jacke.
OK, es muss nicht unbedingt eine rote sein 😉 . Aber das Ding ist leicht, lässt sich klein verpacken und ist total warm. Bei kalten Abfahrten ein absoluter Segen. Zudem hat sie eine Kapuze, die eng anliegt. Die noch unter den Helm – und auch der Kopf ist warm.

Armlinge, Beinlinge, Handschuhe und Mütze
Ich hab mit mir gerungen, ob ich das Zeug wirklich mitnehmen soll. Besser wars. Ich hatte Videos von der Veranstaltung aus den Vorjahren gesehen und einige beklagten die Kälte in den Pyrenäen. Die Leute hatten Recht. Es wird kalt – auch wenn man nicht nachts unterwegs ist.

Goretex shakedry Regenjacke: geiles Teil. Die Anschaffung fiel mir angesichts des aufgerufenen Preises schwer, ist aber jeden Cent wert. Lieber einmal richtig investieren und was Gescheites haben, als mit billigem Zeug zu frieren.

Mal gucken, was ich nächstes Jahr mache. Auf jeden Fall werde ich die Transpyrenees Homepage checken, welche Strecke sie im nächsten Jahr planen. Die Pyrenäen sind einfach schön und die Spanier haben die besten, weil fahrradfreundlichsten Autofahrer der Welt 🙂

2 Gedanken zu „Transpyrenees 2022

Schreibe einen Kommentar zu Kerstin Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.